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21. November 2024
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Hasskommentare: Jeder neunte Internetnutzer war selbst schon Opfer

(socialON) Jeder Zweite hat schon Hasskommentare gelesen. Befragte sehen Betreiber, Nutzer und Justiz gleichermaßen in der Pflicht.

Wüste Beschimpfungen, rassistische Beleidigungen, explizite Gewaltandrohungen: Fast jeder zweite Internetnutzer (48 Prozent) hat schon einmal sogenannte Hasskommentare im Internet gelesen. Und jeder neunte Internetnutzer (11 Prozent) hat sich zudem sogar selbst schon einmal als Opfer solcher Äußerungen empfunden, etwa weil er persönlich angegriffen, beleidigt oder bedroht wurde. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Die Mehrheit der Internetnutzer betrachtet Hasskommentare dabei als ernstes Problem: 79 Prozent fürchten, dass sie ein Nährboden für reale Gewalttaten sein könnten. 72 Prozent sagen, solche Äußerungen tragen zu einer Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas bei. „Hasskommentare im Internet sind ein Problem, das uns alle betrifft –Digitalwirtschaft, Politik, Justiz und Gesellschaft. Wir müssen uns möglichst gründlich und sachlich damit befassen“, sagt Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom. „Voraussetzung dafür ist, das Phänomen zunächst einmal genauer zu untersuchen und zu begreifen. Dazu wollen wir mit unserer Befragung beitragen.“ In der Studie werden unter anderem die Reaktionen der Leser und Opfer auf Hasskommentare beleuchtet, die Motive der Verfasser, die Rolle des Mediums Internet sowie Lösungsansätze. Die weiteren Ergebnisse im Einzelnen:

Gut Dreiviertel der Leser registrieren starken Anstieg von Hasskommentaren:
Der Großteil der Leser von Hasskommentaren ist der Ansicht, dass die Zahl dieser Botschaften innerhalb der vergangenen zwölf Monate zugenommen hat: 77 Prozent registrieren einen starken, weitere 10 Prozent einen leichten Anstieg. Nur 11 Prozent nehmen keine Veränderung wahr.

Unterschiedliche Reaktionen je nach Betroffenheit:
Der Umgang mit Hasskommentaren unterscheidet sich dabei stark je nachdem, ob jemand persönlich betroffen ist oder nicht. Diejenigen, die Hasskommentare ausschließlich gelesen haben, haben zu 77 Prozent überhaupt nicht darauf reagiert. 16 Prozent haben sie dem Betreiber gemeldet. 7 Prozent haben sich mit einem eigenen Posting dagegen ausgesprochen und 6 Prozent haben in ihrem sozialen Netzwerk dazu aufgerufen, die Äußerung ablehnend zu kommentieren. 2 Prozent haben dem Verfasser der Hasskommentare die Online-Freundschaft gekündigt und lediglich 1 Prozent hat Anzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft erstattet.

Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei denjenigen, die selbst Opfer von Hasskommentaren geworden sind: Jeder Zweite aus dieser Gruppe (52 Prozent) hat die Äußerung dem Betreiber gemeldet. 40 Prozent haben in ihrem Netzwerk dazu aufgerufen, die Äußerung ablehnend zu kommentieren. 39 Prozent haben dem Verfasser, so möglich, die Freundschaft gekündigt. Weitere 28 Prozent haben sich mit einem eigenen Posting gegen die Äußerung ausgesprochen. Jeder Fünfte (19 Prozent) hat sogar Anzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erstattet. Dazu Rohleder: „Hasskommentare sind nicht nur ein Problem der unmittelbar Angegriffen, sondern betreffen uns alle. Internetnutzer, die auf Hasskommentare stoßen, sollten nicht einfach wegschauen, sondern selbst aktiv werden, auch wenn sie nicht im Mittelpunkt des Angriffs stehen.“

Die Rolle des Internet:
Die Befragung zeigt außerdem, dass das Internet von vielen als Medium gesehen wird, das Hasskommentare befördert. So finden 73 Prozent der Befragten, dass das Gefühl von Anonymität im Internet zu Hasskommentaren verleitet. 89 Prozent unterschreiben die Aussage: Das Internet erleichtert die Verbreitung von Hasskommentaren, die sonst nur im privaten Umfeld gemacht würden. Rohleder: „Durch das Internet kann prinzipiell jeder seine Botschaften an ein riesiges Publikum senden. Das ist im Grundsatz eine große demokratische Errungenschaft, weil sich dadurch ganz neue Teilhabemöglichkeiten eröffnen. Leider wird dies von vielen missbraucht, und diesen Missbrauch müssen wir eindämmen. Dies erfordert ein Maximum an Augenmaß und Sachlichkeit.“

Verfasser wollen mit Hasskommentaren Frust ablassen:
Laut der Befragung haben 6 Prozent der Internetnutzer selbst schon einmal Hasskommentare verfasst. 77 Prozent von ihnen sagen, dass sie mit ihrer Aussage ihrem Ärger Luft machen wollten. 61 Prozent erklären, dass sie damit andere aufrütteln wollten. „Keiner dieser Gründe rechtfertigt es, andere Menschen zu bedrohen, zu beleidigen oder gar zu Gewalttaten aufzurufen“, sagt Rohleder. Nur 31 Prozent der Verfasser mussten für ihren Hasskommentar Kritik von anderen Internetnutzern einstecken, 64 Prozent fühlen sich dagegen von anderen in ihrer Aussage bestätigt, Entsprechend bereuen nur 36 Prozent ihre Aussage inzwischen und würden sie am liebsten ungeschehen machen. Der größere Teil, nämlich 59 Prozent, erklärt jedoch, nach wie vor zu ihrem Hasskommentar zu stehen.

Geringe Toleranz gegenüber Hasskommentare:n
Nur 12 Prozent der Internetnutzer sind der Ansicht, dass Hasskommentare im Internet zu einer offenen Diskussionskultur gehören und deshalb immer toleriert werden sollten. 22 Prozent sagen, dass man sie zumindest im Grundsatz tolerieren und nur im Ausnahmefall gegen sie vorgehen sollte, wie z.B. beim Aufruf zu schweren Straftaten. 17 Prozent sind gleichgültig gegenüber Hasskommentaren. „Die Zahlen zeigen, dass sich Nutzer ein Netz ohne Hass wünschen und Handlungsbedarf sehen.“

Nutzer halten verschiedene Maßnahmen gegen Hasskommentare für sinnvoll :
Zur Lösung des Problems sollen nach Ansicht der Befragten alle relevanten Akteure beitragen – also Betreiber von Online-Plattformen genauso wie die Justiz und die Nutzer selbst: 86 Prozent wünschen sich, dass Betreiber eindeutige Hinweise geben, wie sich die Nutzer im Internet verhalten sollen (Netiquette). Ebenso viele wollen, dass die Betreiber Hasskommentare schnell löschen. 80 Prozent finden zudem, dass sie die Accounts von Hasskommentar-Verfassern sperren sollten. Und 77 Prozent sprechen sich dafür aus, bei Bedarf die Kommentarfunktion auf einer Webseite abzuschalten. 72 Prozent sind zudem dafür, dass Nutzer Hasskommentare verstärkt mit Argumenten widerlegen. 70 Prozent finden, dass die Strafverfolgungsbehörden verstärkt gegen Hasskommentare vorgehen sollten. „Eine einfache, eindimensionale Lösung für das Problem der Hasskommentare gibt es nicht – das haben die Internetnutzer erkannt“, so Rohleder. „Um Hass und Hetze im Internet einzudämmen, müssen alle mehr tun und, wo es möglich ist, auch zusammenarbeiten.“

Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 815 Internetnutzer befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.

Ansprechpartner:
Angelika Pentsi
Pressesprecherin
T +49 30 27576-111
a.pentsi@bitkom.org

Marie-Theresa Weber
Referentin Verbraucherrecht und Medienpolitik
T +49 30 27576-221
MT.weber@bitkom.org

Bitkom vertritt mehr als 2.300 Unternehmen der digitalen Wirtschaft, davon gut 1.500 Direktmitglieder. Sie erzielen mit 700.000 Beschäftigten jährlich Inlandsumsätze von 140 Milliarden Euro und stehen für Exporte von weiteren 50 Milliarden Euro. Zu den Mitgliedern zählen 1.000 Mittelständler, 300 Start-ups und nahezu alle Global Player. Sie bieten Software, IT-Services, Telekommunikations- oder Internetdienste an, stellen Hardware oder Consumer Electronics her, sind im Bereich der digitalen Medien oder der Netzwirtschaft tätig oder in anderer Weise Teil der digitalen Wirtschaft. 78 Prozent der Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Deutschland, jeweils 9 Prozent kommen aus Europa und den USA, 4 Prozent aus anderen Regionen. Bitkom setzt sich insbesondere für eine innovative Wirtschaftspolitik, eine Modernisierung des Bildungssystems und eine zukunftsorientierte Netzpolitik ein.

Quelle: Pressemitteilung Bitkom vom 15.12.2015.

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